Liebe
Gemeinde!
Da hocken sie nun, die Freunde Jesus, hinter dicht
verschlossenen und verriegelten Türen, Angst vor dem Draußen fügt sie zusammen
– ihre Mitte ist leer. Denn ihren Lebensmittelpunkt haben sie verloren. Der
Tod Jesu hat sie von ihrem Freund und Lehrer getrennt, und nun trennen sie
sich ihrerseits von allen Folgen des gemeinsamen Lebens, das sie mit ihm
hatten. Sie riegeln sich ab gegen den Streit und gegen die Unruhe, die es
mit sich bringt, mit dem Unruhestifter Jesus bekannt zu sein – deshalb die
verschlossenen Türen.
Angst bannt sie, Angst vor Nachstellungen ihrer jüdischen
Umwelt, Angst davor, so wie Jesus bestritten zu werden.
Unter der Angst liegt eine tiefe Trauer und die Erfahrung,
verlassen worden zu sein. Da ist nichts, was aus der gemeinsamen Vergangenheit
in die Zukunft trägt - so greifen Angst und Einsamkeit nach ihnen. Die Angst
malt das Draußen übergroß und bedrohlich, weil drinnen - in der Mitte - nichts,
was Halt und Widerstand gäbe, mehr existiert.
Kaum zu betonen ist, daß solche Menschen nicht nur
gefährdet sind, das zu verraten und gegen das treulos zu sein, was gerade
eben noch so viel ihnen bedeutete, sondern daß sie auch gefährlich werden
können. Denn immerschon war Angst der Nährboden für Feindschaft und Haß.
Aber da geschieht das: Jesus kommt und tritt in ihre
leere Mitte. Er geht durch die verriegelnden Türen der Angst hindurch – er,
der von sich im Johannes-Evangelium ja sagt: Ich bin die Tür – er, der Jude,
geht durch ihre Judenangst hindurch und öffnet den Raum: Friede sei mit euch,
Schalom sei mit euch!
Und als sie ihn an den Leidensmalen der Hände und
der Seite als den Herrn erkennen, wandelt sich ihre Angst in Freude.
Hier kommt nicht nur jemand, der Frieden wünscht
und grüßt, hier begegnet der Segen des Friedens selbst. Jesus ist,
was er sagt, grüßend ist er der Friede, der die Angst vor den
Juden vergehen läßt. Wäre er es nicht, er könnte die leergewordene Mitte,
den Ort der tiefsten Verlassenheit, nicht einnehmen.
Worte allein vermöchten dergleichen nämlich nicht,
Worte allein vermöchten es nicht, Angst in wirkliche Freude zu verwandeln.
Aber hier ist das Wort wahrlich Fleisch geworden, hier hat das Friedenswort
Gestalt genommen und den österlichen Leib angezogen, den Leib, der angst-
und todfrei dem neuen Leben zugehört.
Bevor da in der jungen Gemeinde zu Jerusalem noch
Judenangst in Judenhaß umschlagen kann, tritt der auferweckte Christus dazwischen
und durchbricht den Teufelskreis des alten Lebens, in dem Angst und Haß im
Kreise sich drehen.
Und er nimmt nicht nur etwas hinweg, sondern er gibt
auch etwas, das Wichtigste: Jesus weht seine Freunde mit dem Geist G“ttes
an und gibt ihnen so Anteil an seinem österlichen, neuen Leben.
Wir wissen nur zu gut, wie fragil und bedroht dies
neue Leben ist. Und wir, die christlichen Gemeinden und unsere mehrheitliche
Theologie dazu, wir sind dem Kreisgang von Angst und Haß eben nicht entkommen,
zumeist nicht.
Aber: die Erzählung des Johannes erzählt uns, wie
es war, damals am Abend des ersten Wochentages, also am Ostersonntag, und
sie verheißt uns, wie es sein wird, wenn unsere Judenangst ganz und gar in
den Frieden mit G“ttes Volk sich verwandelt.
Immerhin: manch christlicher G“ttesdienst wird mit
der Grußformel eröffnet, die lautet: „Der Friede des Herrn sei mit euch allen“
– da ereignet sich der Friedensgruß Christi und öffnet unser Leben für G“ttes
Schalom, der - wie wir sagen – höher als all unsere Vernunft ist.
Amen.
Joh 20, 19-22
19 Als es nun an jenem Tage, dem ersten der Woche,
Abend war und dort, wo die Jünger sich aufhielten, die Türen aus Angst vor
den Juden verschlossen waren, kam Jesus und trat in die Mitte; und sagte
zu ihnen:
20 Friede sei mit euch!
Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände wie auch die Seite.
Da wurden die Jünger froh, als sie den Herrn sahen.
21 Jesus sprach nun wiederum zu ihnen:
Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, sende auch ich euch.
22 Und nachdem er dies gesagt hatte, hauchte er sie
an und sagte zu ihnen: Empfanget den heiligen Geist!
Liturgie des
G''ttesdienstes